“Der Kunde ist König“
Seit Generationen ist dies ein beliebtes Sprichwort von Dienstleistern. Leider wird es häufig falsch ausgelegt und mit «der Kunde bestimmt» gleichgesetzt.
Betrachten wir das Konzept des Hoflieferanten etwas genauer:
• Ohne den König (Kunden) direkt zu fragen, kennen wir alle seine Wünsche und Vorlieben.
Dies erfolgt durch systematisches Beobachten seiner Gewohnheiten und die Befragungen seiner engsten Vertrauten.
• Die ganze Organisation ist darauf ausgerichtet die königlichen Erwartungen (Kundenerwartungen) zu übertreffen.
Jeder Mitarbeiter ist sich bewusst, inwiefern seine persönliche Leistung eine Rolle spielt, um ein optimales Gesamtergebnis zu erzielen. Erfolg oder Misserfolg der Organisation hängen massgeblich von der Zufriedenheit respektive Begeisterung des Königs, also des Kunden, ab. Wissen und Kompetenzen jedes Mitarbeiters sind auf den spezifischen Aufgaben abgestimmt.
• Die Reaktion des Königs (Kunden) wird im Detail studiert, um seine Erwartungen in der Zukunft wieder übertreffen zu können.
Jede Reaktion, ob positiv oder negativ, wir beurteilt, ernst genommen und akzeptiert. Daraus werden mögliche Handlungsstrategien abgeleitet.
• Hat der Lieferant/Dienstleister die königliche Gunst (Kundenrespekt) erlangt, entsteht eine lebenslange, gegenseitige Loyalität.
Der Status «Hoflieferant“ bringt dem UnternehmenHochachtung und wirtschaftlichen Erfolg. Denn jeder der etwas auf sich hält, will die Dienstleistungen vom gleichen Lieferanten wie der König beziehen. Der König ist somit ein super Influencer.
Wir lernen vom kleinen Handwerksbetrieb.
Hier werden die Kundenbedürfnisse direkt vom Geschäftsführer im Gespräch mit dem Kunden erfasst. Sein geschulter Blick, sein Einfühlungsvermögen und der Besuches vor Ort lassen ihn Kundenwünsche erkennen, ohne diese explizit zu erfragen.
Der Schreiner, der einen massgefertigten Schminktisch für seine Kundin anfertigt, weiss wie gross sie ist, wo der Tisch stehen wird, welche Artikel sie auf dem Tisch wo stehen haben will, ob sie jedes Fältchen sehen will oder lieber das Licht schmeicheln soll. All das fliesst in jeden Arbeitsschritt beim Entwurf und der Fertigung des Schminktisches ein.
Schlussendlich übergibt der Schreiner den personalisierten Schminktisch seiner Kundin. Er erfährt hautnah ihre Begeisterung, wenn sie sich zum ersten Mal an den Tisch setzt. Ebenfalls wird er
beobachten können, ob sie vom ersten Augenblick jeden gewünschten Artikel verstauen kann und ob die Sitzhöhe passt, ohne je darüber ein Wort verloren zu haben.
Ist «Customer Centricity» also Schnee von gestern? Auf keinen Fall! Wir befinden uns in einer längst überfälligen Renaissance der Serviceindustrie.
Warum ging «Customer Centricity» verloren?
Im Rahmen der technologischen Entwicklung ist das Wissen um die Kundenbedürfnisse verloren gegangen. Kundenreaktionen auf erbrachten Leistung wurden zu wenig registriert. Die Bedürfnisse der Kunden sind jedoch nach wie vor vorhanden.
Die Organisationen richteten sich zusehends auf Produkte- und Prozessoptimierungen aus. Lean Management war eines der bekanntesten Schlagwörter. Im Fokus stand dabei immer die
Kostenführerschaft. Die Kundschaft liess nicht lange auf sich warten und war aufgrund des attraktiven Preis-/Leistungsverhältnisses mehr als überzeugt. Die Manager haben in den Betriebsergebnissen die Bestätigung zu ihren Entscheidungen erkannt.
Fakt ist, Kunden dürfen nicht abwandern. Genau dies geschieht jedoch durch eine isolierte Ausrichtung auf das Produkt anstelle der Kundenwünsche. Damit wird auch die Nachhaltigkeit der Organisation in Frage gestellt.
Wir müssen unsere Überzeugung ändern um zu tun was wir wissen.
Erneut ist es die technologische Entwicklung die «Customer Centricity» im skalierbaren, komplexen Dienstleistungsgeschäft ermöglicht. Doch der Einsatz von künstlicher Intelligenz allein reicht nicht aus. Die ganze Unternehmung muss komplett neu entwickelt und gebaut werden, damit eine echte Ausrichtung auf den Kunden erreicht wird und die neuen Kanäle optimal genutzt werden.
Managern und Mitarbeitern fällt es enorm schwer diese grundlegende Neuausrichtung der Organisation anzugehen. Sie waren Jahrzehnte lang erfolgreich mit ihren etablierten Geschäftsmodellen. Ihre Überzeugungen sind nach wie vor an diese Geschäftsmodelle gebunden, auch wenn sie rational wissen, dass Veränderungen notwendig wären.
Startups sind ohne «Altlasten»
Es macht durchaus Sinn, wenn ein etabliertes Institut, anstatt einem mühsamen Umbau der Organisation, der einem Kampf mit Windmühlen gleichkommt, eine neue Einheit erschafft. Diese
kann ohne Altlasten mit den neuen Technologien, Prozessen und neuem Zeitgeist beginnen. Die Erfahrung und Überzeugung der neuen Unternehmung können dann in den Stammbetrieb
einfliessen. Startups die auf Kapital und neugierige Unterstützung von etablierten Unternehmen bauen können haben in diesem Prozess einen klaren Vorteil und es entsteht eine echte WIN-WIN
Situation für das Stammunternehmen, den Startup und last but not least den Kunden.